Asylbewerberleistungsgesetz

Unsere Forderungen zum 1. Mai 2024

Wir brauchen eine soziale Bewegung gegen den Umbau der Sozialssysteme in einen national-autoritären Sozialstaat.

Flyer Freiburg | Sozialsysteme sind unsere Absicherung in der Krise. Jeder Angriff gegen Leistungsbezieher*innen ist ein Angriff gegen lohnabhängige Beschäftigte! Seit mehr als 30 Jahren werden Asylsuchende aus der Bundessozialhilfe ausgegrenzt, jüngst wurde das Asylbewerberleistungsgesetz weiter verschärft. Das Gesetz steht für eine Abkehr vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Menschen, die in Deutschland leben. Es ist ein Versuchslabor für den Aufbau eines national-autoritäten Sozialstaats. Dem müssen wir lautstark widersprechen!

Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 verabschiedet. Seither dienst es als Versuchslabor[1] für den Aufbau eines national-autoritären, disziplinierenden Sozialsystems gegen geflüchtete Menschen. Das Leben von Asylsuchenden und Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus wurde zum Experimentierfeld deutscher Verwaltung und Politik. Wie weit können Menschen in staatlich verordneter Armut gehalten, bevormundet und entrechtet werden? Zeitgleich fand und findet eine gesellschaftliche Stigmatisierung von Geflüchteten statt, um jeden Protest gegen die rassistische Ausgrenzung im Keim zu ersticken. Jüngstes Beispiel ist die Einführung der Bezahlkarte. In der Debatte, die mit Falschnachrichten, populistischen Parolen und Worthülsen geführt wurde, zeigte sich der Durchmarsch rechtsextremer Positionen vom Bund in die Kommunen. Die Bezahlkarte wird tief in die Grundrechte von Geflüchteten eingreifen und zu Einschränkungen im Alltag führen. So können Betroffene nur einen geringen Betrag als Bargeld abheben, die Funktion Karte kann auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt und Händlergruppen ausgeschlossen werden. Die Behörden bekommen verschiedene Überwachungstechniken in die Hände, können die Karte sperren, Zahlungsaktivitäten kontrollieren und mehr.


[1]https://www.nds-fluerat.org/59004/aktuelles/das-asylblg-als-versuchslabor-wie-rechtspopulistische-politik-praktisch-wird/

Dem nicht genug wurde das Asylbewerberleistungsgesetz im Februar 2024 geändert, um Betroffene zur Arbeit bei kommunalen, gemeinnützigen und staatlichen Trägern verpflichten zu können, wenn diese „der Allgemeinheit dient“ – bei einer Entlohnung von 80 Cent die Stunde. Dem Deutschen Landkreistag geht das nicht weit genug. Er fordert eine Ausweitung der Arbeitspflicht auf die Privatwirtschaft. Das erinnert an den „Reichsarbeitsdienst“ von 1936. Damals wurden erstmals bestimmte Bevölkerungsgruppen zur „gemeinnützigen Arbeit“ gezwungen. Die Formulierung wurde später in die Sozialgesetzgebung der Bundesrepublik übernommen. Vor allem aber zeigt sich: „Arbeit und Fleiß“ führen nicht aus der Armut. Hier geht es um Arbeitsverhältnisse zum Nulltarif, ohne Arbeitsrechte und sozialrechtliche Absicherung, eine der übelsten Sorte ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. Wo bleibt der Aufschrei der Gewerkschaften? Zeitgleich wurde der Bezug von abgesenkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 18 auf 36 Monate verlängert. Für Betroffene heißt das: Drei Jahre lang ein Leben unter dem Existenzminimum bei eingeschränkter Gesundheitsversorgung, gewährt unter den Bedingungen der Bezahlkarte.

Bei all dem geht es um mehr, als die Veränderungen einzelner Gesetze. Das zeigt der Vorstoß der CDU/CSU-Fraktion für eine Grundgesetzänderung. Artikel 20, das Sozialstaatsgebot, soll ergänzt werden mit dem Ziel, ein zweites, abgesenktes, Existenzminimum für nicht-deutsche Staatsangehörige und damit eine nationale Sozialgesetzgebung durchzusetzen. Faktisch wäre das die endgültige Abschaffung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Inländer, der derzeit vom Grundgesetz garantiert wird. Um dies zu rechtfertigen, wird das alte Spiel der Sündenböcke gespielt. Für die Krise werden Geflüchtete, aber auch Arbeitslose, Faule und Arme verantwortlich gemacht. Die Probleme werden personalisiert. Und diese Personalisierung wirtschaftlicher Krisen führt geradewegs zum Abbau sozialer Rechte.

Deutlich wird dies auch bei der aktuellen Diskussion über Bürgergeldempfänger*innen. Das Gerede, dass der Fleißige etwas erreichen kann und der Faule Arm bleibt, hat sich tief in die Denkweise festgefressen, selbst bei Lohnabhängigen. Es ist kein Zufall, dass sich Industrie von „industria“, dem lateinischen Wort von Fleiß, ableitet. Auch die religiöse Weisung „ora et labora“ (bete und arbeite), der Beruf verstanden als Berufung, spielt in den Köpfen eine Rolle. Dabei ist es Quatsch zu behaupten, dass Armut mit Faulheit zu tun hat. Armut fängt beim Bildungssystem an und wird in prekären Beschäftigungs- und Wohnverhältnissen sichtbar. Billigjober sind die Verlierer, profitieren tun andere. Und von Armut sind vor allem auch Migrant*innen betroffen. Lohnarbeit macht arm. Das ist für viele die Realität! Das zeigt sich auch daran, dass heute etwa 40 Prozent der Rentner*innen nur über eine monatliche Rente von 1.250 € verfügen. Viele liegen noch unter diesem Satz. Es braucht also einen anderen, einen radikalen Blick auf die Veränderungen.

Wer in Lohnarbeit steht, kann nicht davon ausgehen, dass sein Job auf Dauer krisensicher ist. Der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes ist immer mit der Befürchtung eines sozialen Abstiegs verbunden. Um den freien Fall in die Armut zu verhindern, braucht es funktionierende Sozialsysteme. Der Angriff gegen die Sozialsysteme ist damit nicht nur ein Angriff gegen jene, die aktuell Leistungen beziehen, sondern ein Angriff gegen alle lohnabhängig Beschäftigten! Als Antwort müssen wir bedingungslose soziale Rechte für alle Menschen fordern, die immer wieder tausendfach aus dem Verwertungsprozess ausgestoßen werden. Wir brauchen soziale Rechte und Sozialsysteme, um das weitere Überleben finanziell absichern zu können, um notfalls nicht im Elend und der Wohnungslosigkeit zu landen. Deshalb müssen wir die Sozialsysteme verteidigen und neue, bessere erkämpfen. Tatsächlich führen mangelnde Investitionen in den Sozialstaat und Infrastruktur zu einer erhöhten Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Gesellschaften. Und das trifft uns alle!

Die jüngsten Veränderungen im Asylbewerberleistungsgesetz, die Angriffe gegen Bürgergeldempfänger*innen, bei der Kindergrundsicherung, beim Mindestlohn, etc. zeigen, dass wir eine außerparlamentarische, soziale Bewegung brauchen, die ein gerechtes Sozialsystem für Alle einfordert, mit dem auch bedingungslose Soziale Rechte für Alle gewährt werden. Dabei muss als erster Schritt das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft werden.

Wir als Kampagne „Soziale Rechte für Alle – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!“ rufen zur Teilnahme an den bundesweiten Aktionstagen vom 15. bis 20. Juni auf. Mehr Informationen finden sich auf unserer Homepage: https://asylbewerberleistungsgesetz-abschaffen.de/, Kontakt: info@asylblg-abschaffen.de      

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„Die Arbeitgeber fordern allerdings auch härtere Sanktionen für Bürgergeldbezieher, die Mitwirkungspflichten unterlaufen. Und sie wollen den Sozialtransfer für alle stärker auf das „tatsächliche“ Existenzminimum begrenzen.“

https://presseschau.vbw-bayern.de/archive/addendum?id=19743

BDA – Die Arbeitgeber – „Eigenverantwortung stärken, gezielt unterstützen und auf wirklich Bedürftige konzentrieren“ Ein Papier vom BDA | DIE ARBEITGEBER Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände